Studienbestand: 
Datenbank AIS Fallstudien
StudyID: 
s0046
Letze Aktualisierung der Studie: 
Mo, 2015-10-26

Grenzen neuer Arbeitsformen. Betriebliche Arbeitsstrukturierung, Einschätzung durch Industriearbeiter, Beteiligung der Betriebsräte

Beteiligte Mitarbeiter
Altmann, Norbert
Schneller, Irmtraut
Mendolia, Raimondo
Tiemann, Friedrich
Institutioneller Anbindung
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung München ISF
Gefördert durch
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Studienlaufzeit
1976 - Juni 1980
URL zur Studie
Kurzbeschreibung

Kernfrage nach betrieblichen Bedingungen und Interessen, die sich mit der Initiierung und Gestaltung neuer Formen der Arbeit verbinden: 'Welche betrieblichen Bedingungen stoßen die Veränderungen bestehender Formen der Arbeitsgestaltung an? Welche konkreten Interessen verbindet der Betrieb auf dem Hintergrund seiner Rahmenbedingungen mit Veränderungen der Arbeitssituation? Welche Interessen an einer erweiterten Nutzung menschlichen Arbeitsvermögens kommen darin zum Ausdruck und welche Momente von 'Humanisierung' (bzw. welche Potentiale der Reproduktion) sind darin angelegt?' (S. 16). Ferner soll die Beteiligung der betrieblichen Interessenvertretung an diesen Veränderungen und die Einschätzung der neuen Arbeitsformen durch die betroffenen Arbeitskräfte erforscht werden. Erfassung und Analyse der Stoß- oder Bremswirkung betrieblicher Maßnahmen im Hinblick auf reproduktionsrelevante Veränderungen der Arbeitssituation, der Verknüpfung der Maßnahmen mit differenzierten betrieblichen Interessen, der Bedeutung der Rahmenbedingungen etc..

Ziel

Identifizierung möglicher Ansatzpunkte erfolgsversprechender, praxisrelevanter, auf Reproduktionsinteressen der Arbeitskräfte bezogener, staatliche oder interessengeleiteter (gewerkschaftspolitischer) Beeinflussung oder Steuerung der Arbeitsgestaltung. D.h.: Wie können bestimmte reproduktionsrelevante positive Auswirkungen für Arbeitskräfte im Rahmen genereller technisch-organisatorischer Veränderungen unter den verwertungsorientierten Bedingungen betrieblichen Handelns gesichert werden?

Theoriebezug
Expliziter Bezug auf den Betriebsansatz, dessen grundlegende Begriffe und Zusammenhänge skizziert und auf die Frage der Gestaltung neuer Arbeitsformen angewandt werden (Kapitel I insb. I C). Hierbei dreht es sich vor allem um die Annahme betrieblicher Probleme als spezifische konkrete Form struktureller gesellschaftlicher Probleme, der Bedeutung interner und externer Rahmenbedingungen zur Lösung dieser Probleme und der Verfolgung des betrieblichen Interesses der Kapitalverwertung bei der Verwirklichung relevanter Maßnahmen. Dieser Ansatz wendet sich explizit gegen die unvermittelte Rückführung der Gestaltung neuer Arbeitsformen auf generelle gesellschaftliche Probleme der Nutzung der Arbeitskraft. Für die Studie relevante gefolgerte Annahme ist es, dass Veränderungsmaßnahmen vom Typ Humanisierung im Betrieb generell vorhanden sein müssen, um betriebliche Probleme, die in diesem Zusammenhang als Ausdruck allgemeiner gesellschaftlicher Probleme der Nutzung von Arbeitskraft zu verstehen sind, lösen zu können. Humanisierung der Arbeit kann damit nicht lediglich als interessenpolitische Bestrebungen von Gewerkschaften und Betriebsräten oder befristetes staatliches Programm angesehen werden. Hieraus ergibt sich dann die Fragestellung nach den betrieblichen Bedingungen und Interessen der Initiierung und Gestaltung neuer Arbeitsformen.
Geografischer Bezug
Deutschland
Erhebungszeitraum
Mit Unterbrechungen zwischen 1976 und 1978
Informationen zur Datenerhebung
193 Experteninterviews anhand von Frageleitfäden mit 251 betrieblichen Gesprächspartnern (Management und Betriebsrat), 33 Experteninterviews mit insgesamt 74 außerbetrieblichen Experten, Dokumentenanalyse betrieblicher Unterlagen, Prozessbeschreibung (S. 322: theoretisch begründete Abgrenzung von der Arbeitsplatzbeobachtung), Gruppen- und Einzelgespräche mit betrieblichen Management (Präsentationen), 373 Einzelinterviews in Form einer mündlichen Befragung von Beschäftigten anhand von standardisierten Fragebogen (60% geschlossene, 40% offene Fragen - übersetzt in 3 Sprachen), Gruppendiskussionen mit insgesamt 101 Arbeitern.
Fallzahlen
9 Fallstudienbetriebe, hier Untersuchung von 20 Veränderungsmaßnahmen; zusätzlich 12 Kurzfallstudien = 12 Betriebe, davon 9 ausgewertet. Übersicht im Anhang Tabelle 1-3 Gegenstand der Fallstudie sind betriebliche Maßnahmen der Arbeitsgestaltung in Abhängigkeit von betrieblichen Bedingungen, Problemen und Interessen. "Dies erforderte bei der Analyse solcher Maßnahmen, die betrieblichen Rahmenbedingungen zunächst extensiv und dann reduziert auf die für die Maßnahme relevanten Rahmenbedingungen einzubeziehen" (S. 321). Gegenstand der Auswahl waren damit Betrieb und Maßnahmen, Gegenstand der Analyse betriebliche Bedingungen in Bezug auf eine Maßnahme und die Maßnahme selbst.
Falldarstellung
Im Anhang Übersicht über untersuchte Betriebe und Maßnahmen und Kurzbeschreibung der Kurzfallstudien, ausführliche Darstellung der Fälle und Maßnahmen im Materialband (Altmann et al. 1981)
Selbstdefinition
Die Autoren sprechen von einer "Kombination von Betriebsfallstudien (bezogen auf eine Veränderungsmaßnahme von Arbeitsgestaltung/Arbeitsorganisation) mit einer mündlichen Befragung von Arbeitern" (S. 17).
Auswahl
Großbetriebe aus der Metallindustrie (Elektrotechn. Industrie, Feinmech.-opt. Industrie, EBM-Waren, Straßenfahrzeugbau, Maschinenbau). Aus Kenntnis im Bereich der HdA und Ergebnissen der explorativen Phase wurden als typisch erachtete Fälle ausgewählt. Betriebsauswahl anhand der vier Kriterien: Zugehörigkeit zur Metallindustrie, gewerblicher Bereich, Betriebsgröße zwischen 600-2000 Beschäftigten (konnte nur in 6 von 9 Fällen eingehalten werden), Güte des Betriebszugangs. Auswahl der in die Untersuchung einzubeziehenden betrieblichen Gestaltungsmaßnahmen anhand dreier Gesichtspunkte (strategische Grundrichtung der Einführung; Relevanz in öffentlicher Diskussion, im Rahmen von HdA geförderte Maßnahmen). Auswahl erfolgte anhand von Literaturrecherche, Überprüfung der im Rahmen von HdA geförderten Projekte und Expertengesprächen mit Vertretern von Betrieben, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaft und Wissenschaft (vgl. S. 324f.).
Überblick Methoden
In Kapitel I A (Fragestellung und Ansatz der Untersuchung) kurze Begründung des methodischen Vorgehens (S. 17). Im Anhang auf 5 Seiten ausführlichere Reflexion der Methoden: Begründung der Notwendigkeit der Erfassung des Betrieb als Ganzes; Darstellung und Begründung der Anwendung der einzelnen Erhebungsinstrumente, Begründung der Auswahl und knappe Darstellung des Vorgehens. Zusätzlich noch mal einleitende Erläuterung zum Vorgehen bei der Untersuchung der Betriebsratsarbeit und zum Erhebungsinstrumentarium zur Arbeiterbefragung am jeweiligen Kapitelbeginn.
Auswertung
Expertengespräche und Gruppendiskussionen werden auf Basis systematisierter Protokolle ausgewertet, Material aus der Einzelbefragung vercodet und mit SPSS ausgewertet.
Ergebnisse
Kein zusammenfassendes Ergebniskapitel. Bezüglich betrieblicher Strategien bei der Einführung neuer Arbeitsformen unterscheiden die Autoren abhängig von betrieblichen Rahmenbedingungen und Strukturmerkmalen sowie der konkreten Konstellation betrieblicher Probleme zwei strategische Grundrichtungen der Leistungsabforderung (hierbei gehen sie von dem allgemeinen strategischen Interesse aus, durch neue Arbeitsformen das Arbeitsvermögen der Arbeitskräfte breiter zu nutzen): Möglichste breite Abforderung individuellen Leistungsvermögens bei gleichzeitiger Nutzung der Kooperationsfähigkeit der Arbeitskräfte (Gruppenarbeit), isolierte Abforderung der individuellen Leistung (ins. Isolation der von der arbeitsorganisatorischen Bindung an die Gesamtleistung auch bei Fließorganisation) (Auflösung traditioneller Formen der Fließarbeit und Zusammenfassung arbeitsteiliger Verrichtungen zu kompletten Arbeitszyklen an Einzelarbeitsplätzen). Die Strategieumsetzung erfolgt nicht nur durch neue Formen der Gestaltung des Produktionsprozesses, der Arbeitsorganisation und des Arbeitseinsatzes, sondern auch auf anderen Ebenen (interne und externe Arbeitsmärkte, Gratifizierungssysteme, Leistungskontrolle?). Die Auswirkungen auf die Arbeitskräfte sind durch Ambivalenz gekennzeichnet, grundsätzlich in den neuen Arbeitsformen angelegten Potenziale für die Reproduktion von Arbeitskraft kommen aufgrund der Strategien und Bedingungen der Leistungsabforderung nur bedingt zum Tragen. Die Ambivalenz der Auswirkungen neuer Arbeitsformen zeigt sich in unterschiedlichen Auswirkungen auf einzelne Momente der Reproduktion von Arbeitskraft (Diskrepanzen) und auf einzelne Arbeitskräftegruppen (Disparitäten). Auch fehlende oder unzureichende flankierende Maßnahmen (Defizienzen) blockieren potentiell positive Auswirkungen neuer Arbeitsformen auf die Arbeits- und Reproduktionssituation der Arbeitskräfte und führen damit ebenfalls zur Ambivalenz der Auswirkungen neuer Arbeitsformen (ins. Mängel oder Fehlen der Qualifikationsanpassung). Des Weiteren unterscheiden die Autoren entlang unterschiedlicher Problemdefinition des Managements typische Umstellungsprozesse, die ebenfalls für die Effekte der Maßnahmen maßgeblich sind (systematische, pragmatische, sukzessive Umstellung). Ausführliche Darstellung der Betriebsratsarbeit (zusammenfassend: besondere Interessen (und Strategien), die sich mit den Maßnahmen seitens der Betriebe verbinden, und die besonderen Probleme, Potentiale und Risiken, die sich für die betroffenen Arbeitskräfte ergeben, sind in nur begrenzt zum Gegenstand besonderer Aktivität des Betriebsrats geworden. Hier erheblicher Unterschied zu öffentlich geförderten Humanisierungsmaßnahmen) und der subjektiven Einschätzung der betroffenen Arbeitskräfte.

Datensätze / Materialien

Relevante Publikationen

  • Altmann, Norbert (1982): Grenzen neuer Arbeitsformen. Betriebliche Arbeitsstrukturierung, Einschätzung durch Industriearbeiter, Beteiligung der Betriebsräte.
    Frankfurt: Campus