Studienbestand: 
Datenbank AIS Fallstudien
StudyID: 
s0069
Letze Aktualisierung der Studie: 
Do, 2015-10-08

Herausforderung Vertrauensarbeitszeit

Projektleitung
Böhm, Sabine
Beteiligte Mitarbeiter
Herrmann, Christa
Trinczek, Rainer
Institutioneller Anbindung
TU München, Lehrstuhl für Soziologie
Gefördert durch
Hans-Böckler-Stiftung
URL zur Studie
Kurzbeschreibung

'Was die inhaltliche Perspektive und damit auch des vorliegenden Berichtes wesentlich kennzeichnet, ist allerdings die dominante Orientierung an der Frage nach der Zeitautonomie. Ob und ggf. unter welchen Rahmenbedingungen bedeutet Vertrauensarbeitszeit für die Beschäftigten einen Zugewinn an Partizipation bei der Zeitgestaltung, der ihnen eine stärkere Orientierung an eignen Bedürfnissen erlaubt und damit von ihnen als ein positiver Schritt hin zu einer verbesserten Arbeitssituation verstanden wird?' (S. 23). 4 Ziele (S. 27ff.): 1. 'Rekonstruktion der Aushandlungs- und Implementationsprozesse', 2. 'Die aktuelle Praxis der Vertrauensarbeitszeit', 3. 'Die Frage des Regulierungsbedarfs', 4. 'Voraussetzungen einer erfolgreichen Einführung der Vertrauensarbeitszeit'.

Ziel

Explorativ angelegte Untersuchung (S. 35); Voraussetzungen einer erfolgreichen Einführung von Vertrauensarbeitszeit eruieren und Gestaltungsoptionen für die Interessenvertretung aufzeigen.

Theoriebezug
1. Eingebettet in aktuelle theoretische Überlegungen zum Wandel der Erwerbsarbeit: Postfordismus, Reorganisation und neue betriebliche Rationalisierungsstrategien, Individualisierung, Subjektivierung, Vermarktlichung; 2. Theoretisches zum Modell Vertrauensarbeitszeit, z.B. Hoff 2002; Vertrauensarbeitszeit in der Logik 'forcierter Arbeitszeitflexibilisierung' (S. 12) (Herrmann et al. 1999); Diametral entgegengesetzte Einschätzungen von Gewerkschaften und Unternehmen zum Konzept der Vertrauensarbeitszeit; 3. Betonung des Kulturbegriffs, welcher aus dem interaktionistisch-sozialkonstruktivistischen Theoriezusammenhang kommt (S. 32).
Geografischer Bezug
Deutschland
Informationen zur Datenerhebung
1.) Dokumentenanalyse (Betriebsvereinbarungen, Auswertungsergebnisse interner Mitarbeiterbefragungen, Moderationsmaterial zur Information und Schulung von Mitarbeitern); 2.) "themenzentrierte Leitfadeninterviews mit betrieblichen ExpertInnen und Beschäftigten" (S. 35); Pro Betrieb zwischen 8 und 12 Beschäftigten (insgesamt 87 Interviews); Auswahl nach Geschlecht, Alter, Qualifikation, etc., sowie nach unterschiedlichen Formen der Arbeitsorganisation (S. 40, siehe Übersicht S. 44); Erhebung von sozialstatistischen Daten am Ende der Interviews; alle Interviews wurden im Betrieb und während der Arbeitszeit geführt; Dauer 45 - 120 Minuten; Aufnahme auf Tonband und zum großen Teil vollständig transkribiert (S. 38).
Fallzahlen
8 Betriebsfallstudien (S. 35)
Falldarstellung
Die Betriebe werden überblicksartig in einer Tabelle aufgelistet (S. 41); ausführliche Darstellung von 3 Betrieben in den Kap. 4.1, 4.2 und 4.3; Kurzbeschreibung der anderen 5 Fälle im Anhang; Vereinzelt Zitate.
Selbstdefinition
"Betriebsfallstudien" (S. 35), Intensivfallstudien (S. 39)
Auswahl
Möglichst breite Palette unterschiedlicher betrieblicher Konstellationen (bezogen auf Branche, Größe, ökonomische Situation und Formen industrieller Beziehungen) (S. 38). Auswahl mittels "theoretical sampling" (Glaser/Strauss 1967). Insgesamt Informationen über Vertrauensarbeitszeit in 60 Betrieben, für 20 wurden formale Regelungsbestände erfasst (S. 39). Aus diesem Datenpool wurden die Betriebe ausgewählt. Branchen: IuK, Medien- und Finanzdienstleistung, Metall-, Textil- und Chemieindustrie. Kleine, mittlere und Großbetriebe. Siehe Übersicht der Fallstudienbetriebe S. 41.
Überblick Methoden
Es gibt ein Methodenkapitel (Kap. 2), in dem das methodische Vorgehen und das Sample aufbereitet werden. 3 der 8 Fallstudien werden ausführlich dargestellt. Im Anhang findet sich die Leitfadenstruktur und eine Kurzbeschreibung der restlichen 5 untersuchten Betriebe. Die Arbeit mit der Fallstudienstrategie wird wie folgt begründet: 'Fallstudien ermöglichen sowohl das Erfassen von Einzelfällen in all ihrer Komplexität als auch die Kontrastierung und typisierende Beschreibung des Materials. Sie haben sich deshalb als methodisches Vorgehen in einem Forschungsfeld bewährt, das - wie die betriebliche Praxis von Vertrauensarbeitszeit - noch nicht hinreichend wissenschaftlich sondiert ist' (S. 36). Weiter wird das Vorgehen mit Leitfadeninterviews mit betrieblichen Experten und Beschäftigten reflektiert und die Leitfadenkonstruktion offen gelegt (S. 36f.).
Auswertung
Auswertung mittels mehrstufigem Verfahren: die EDV-gestützte Textaufbereitung mündete in betriebliche Einzelfallanalysen mit bestimmten Auswertungsdimensionen; Anschließend Kodierung des Materials; Kontrastierung und Fallvergleich; Ableitung von Betriebsprofilen und letztlich Betriebsfallstudien (S. 38).
Ergebnisse
Darstellung der empirischen Befunde in Kapitel 3 und 4: Einführung von Vertrauensarbeitszeit und Praxis. Kapitel 5 dient der Analyse der betrieblichen Gestaltungsbedingungen und Kap. 6 dem Fazit und der Diskussion. Hauptbefunde: 1.) Keine flächendeckende Einführung von Vertrauensarbeitzeit, aber Trend; In beiden Betriebsparteien Widerstand gegen dieses Arbeitszeitmodell (daher "Entdramatisierung" der Diskussion um Vertrauensarbeitszeit) (S. 220f.); Interpretation u.a. "Vertrauensarbeitszeit steht paradigmatisch für eine verstärkte Deregulierung und Individualisierung von Arbeitsbeziehungen" (S. 82) ; 2.) Drei verschiedene Muster der betrieblichen Praxis von Vertrauensarbeitszeit (S. 221f:); 3.) Organisationskultur hat maßgeblichen Einfluss auf die soziale Praxis von Vertrauensarbeitszeit (S. 224f.), Aufsplittung der Organisationskultur (Arbeitsorganisation, Führungskultur, Leistungskultur, Arbeitszeitkultur) und Rückkopplung auf theoretische Überlegungen zum Kulturbegriff (S. 137ff.); 4.) Voraussetzungen einer erfolgreichen Einführung (z.B. offene Kommunikation, Teamentwicklung, angemessene Regulierung) und gewerkschaftliche Gestaltungsoptionen (S. 226ff.).

Datensätze / Materialien