Befreit und entwurzelt: Führungskräfte auf dem Weg zum internen Unternehmer

Projektleitung
Deutschmann, Christoph
Beteiligte Mitarbeiter
Faust, Michael
Jauch, Peter
Notz, Petra
Institutioneller Anbindung
Forschungsinstitut für Arbeit, Technik und Kultur e.V. (FATK), Tübingen
Gefördert durch
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Studienlaufzeit
1994-1995
URL zur Studie
Kurzbeschreibung

Die Fragestellung schließt an die Vorgängerstudie von 1995 an (siehe Veröffentlichungen). Die Kernfragen dabei sind: 1.) 'Wie nehmen Führungskräfte der unteren und mittleren Ebenen den Wandel der Anforderungen und zentraler Dimensionen ihres Beschäftigungsverhältnisses wahr?' 2.) 'Wie bewerten sie ihre Arbeits- und Berufssituation und deren Veränderungen? Oder anders formuliert: Wie integrieren sie sinnhaft die veränderten Bedingungen und Anforderungen vor dem Hintergrund biographisch (unterschiedlich) geprägter Erwartungen (Berufsorientierungen) oder scheitern gegebenenfalls daran?' 3.) '(Wie) gelingt es ihnen, die (veränderten) beruflichen Anforderungen vor dem Hintergrund unterschiedlicher, womöglich sich wandelnder Berufsorientierungen in das Konzept alltäglicher Lebensführung zu integrieren (vgl. Voß 1996)? Wie definieren sie in diesem Kontext ihre Interessen (gegebenenfalls auch neu) und welche Strategien des Interessenhandelns verfolgen sie? Ziehen sie auch andere kulturelle Muster der Interessenvertretung in Betracht, die durch veränderte Angebote der Interessenartikulation durch kollektive Vertretungsorgane oder Verbände angeboten werden oder sich neu entwickeln?' (S. 15)

Ziel

Erkenntnisziel der vorliegenden Studie war es, die Ergebnisse der vorangegangenen Studie von 1995 (siehe Veröffentlichungen) zu vertiefen, da dort festgestellt wurde, dass Prozesse der Dezentralisierung keineswegs abgeschlossen, sondern vielmehr im direkten Gange waren. Die Untersuchung sollte hier - fünf Jahre später - einen Überblick über den Fortschritt und die Auswirkungen der Konzepte berichten.

Theoriebezug
Ein einzelnes Theoriekapitel ist nicht vorhanden, vielmehr wird die relevante theoretische Perspektive ad-hoc für jedes Themengebiet eingeführt. Schwerpunkte dabei sind der Wandel der Unternehmens- und Arbeitsorganisation (Kap. 3), subjektive Einstellungen der Führungskräfte zu ihrer Arbeits- und Berufssituation (Kap. 4 und 6), der Wandel der Arbeitsanforderungen (Kap. 5), dem Verhältnis von Arbeit und Leben (Kap. 7) und Interessenorientierungen von Führungskräften (S. 8). Alle diese Kapitel werden mit einem Zwischenfazit abgeschlossen. Allgemein befasst sich die Studie mit den Konzepten der Dezentralisierung von Unternehmen und der Einführung von Marktsteuerungsstrukturen (Centerbildung; TQM; etc.).
Geografischer Bezug
Deutschland
Informationen zur Datenerhebung
Die Erhebung basiert auf dem Konzept eines Methodenmixes von qualitativer Fallstudienanalyse und schriftlicher Befragung. Die Instrumente im Einzelnen: 1.) "mündliche Befragung von 24 Experten (Personalleitungen, Gewerkschaften, Betriebsräte, Sprecherausschüsse)" 2.) Je Fall zwei bis drei Expertengespräche sowie Intensivinterviews mit je 12 bis 15 Führungskräften (sic!) (S. 36) 3.) zwei Phasen der schriftlichen Befragung: zuerst Befragung der Führungskräfte in 3 von 4 Unternehmen, da in einem die Zugangskriterien zu strikt waren. Phase 2: Befragung aller Führungskräfte in Baden-Württemberg. (Rücklauf siehe Tabelle 2.1 S. 37, B-W: 20,5%; in Firmen: 62,4%); Schwerpunkte der mündlichen und schriftlichen Befragung gleichen sich weitgehend: Fragen zu beruflichem Werdegang, Position im Unternehmen, Erwartungen an die eigene Arbeit und den Beruf, mit welchen Veränderungen und Anforderungen werden sie konfrontiert, Belastungen und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Sample: die Samplestruktur wird auf S. 37 vorgestellt; nur 2,2% Frauenanteil; meistens mittleres Alter und verheiratet.
Fallzahlen
4 Fälle = 4 Unternehmen
Falldarstellung
Die Falle A - D werden separat in Kapitel 3.2 "Die Fallstudien-Unternehmen" (S. 47-75) jeweils analog vorgestellt und aufbereitet. Nach einer kurzen Information über das Unternehmen werden die angewandten und geplanten Konzepte der Umstrukturierung aufbereitet. In der Ergebnisdarstellung tauchen sie nicht mehr einzeln oder gesondert auf.
Selbstdefinition
Die Autoren bezeichnen ihre Methode als "qualitative Fallstudienanalyse" (mit schriftlicher Befragung) (S.36); "Fallstudienunternehmen" (S. 24).
Auswahl
Automobil-, Chemie-, Stahl- und Elektroindustrie; Großunternehmen, damit das mittlere- und untere Management gezielt als Gruppe hervortreten kann (S. 47ff.).
Überblick Methoden
Kapitel 2 'Anlage der Untersuchung' stellt die Erhebungsmethoden und -schritte dar (Instrumente, Sample, Überlegungen zum Status der Ergebnisse, bzw. ihrer Generalisierbarkeit). Das Unterkapitel 'Anforderungen an die Anlage der Untersuchung' (S. 15f.) begründet die angewandte Methode: Um die Situation der Führungskräfte, die von Organisationswandel betroffen sind, adäquat zu erfassen Durchführung von 'problemzentrierten Interviews' nach Witzel (1982). Schriftliche Befragung wurde nach der Erstauswertung der qual. Daten konzipiert (S. 15). Insgesamt gilt: 'Auch methodisch folgte die Studie einem relativ unkonventionellen Ansatz. Als empirische Grundlage waren nicht nur, wie in der Industriesoziologie üblich, unternehmensbezogene Fallstudien vorgesehen, sondern darüber hinaus eine standardisierte Befragung von Führungskräften (...). Die Kombination dieser beiden Erhebungsformen sollte es nicht nur ermöglichen, fallbezogene Interpretationen und Typisierungen zu entwickeln, sondern auch auf der Basis der Ergebnisse der standardisierten Erhebung auf ihre quantitative Relevanz hin abzuschätzen' (S. 9). Neben der Reflexion von forschungspraktischen Problemen (v.a. Zeitmangel), gehen die Autoren auch auf die Problematik der Auswertung, Verbindung und Gewichtung zweier verschiedener Datenformen ein (S. 10f.). Die Auswahl der Fallstudienunternehmen folgte bestimmten theoretischen Vorannahmen (S. 47f.).
Auswertung
"Unerwartete Schwierigkeiten verursachte (...) die Verbindung der auf der Basis der qualitativen und quantitativen Erhebung gewonnenen Ergebnisse in der Auswertung. Die Übersetzung der aus den explorativen Fallstudien gewonnen Typenbildungen in die Konstruktion der standardisierten Befragung gelang nur mit Mühe" (S. 10). Ansonsten keine Angaben zur Auswertung. Häufiger Rückgriff auf Zitate und Darstellung der quantitativen Ergebnisse in Form von Tabellen, etc.
Ergebnisse
Die Ergebnisse werden einleitend neben der Fragestellung zusammengefasst. Dies geschieht fallübergreifend. "Ein zentrales Ergebnis unserer Studie besteht darin, daß Organisationswandel vom Typ "marktgesteuerter Dezentralisierung" die in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen bürokratisch und professionell, d.h. zumeist funktional geprägten Führungsrollen im mittleren Management entwertet und zurückdrängt und ein unternehmerisches Anforderungsprofil an die Stelle rückt" (S. 19). Es erfolgt derzeit eine Neudefinition von Führungsrollen. Zu diesen lässt sich festhalten: Der durch den organisationalen Wandel bedingte Rollenwandel führt zu Verunsicherung. Für einige Führungskräfte bedeutet dies den Bruch mit den "Konventionen der bisherigen Arbeit und ihrer Bindung an die Organisation" (S. 20). Unternehmerische Anforderungsprofile reichen bis in die mittleren und unteren Ebenen (d.h. z.B. Zuwachs an Verantwortung und Entscheidungsspielräumen) (S. 21). Damit einher geht, dass Führungskräfte ihre Arbeit durch steigende Belastungen gekennzeichnet sehen (S. 23). Implizite Verträge dienen ihnen als Bezugsrahmen ihrer Bewertungen, deren Eck- und Haltepunkt wiederum ist die "Institution der Karriere" (S. 24). Interessenorientierungen und -handeln ist geprägt durch biographische Vermittlung von Bewertungsmaßstäben und typischen Berufsorientierungen (S. 27ff.). In einem abschließenden Kapitel werden die eigenen Ergebnisse vor dem Hintergrund anderer Studien eingeordnet, z.B. Baethge u.a (1995) und Kotthoff (1997) (Kap. 9).

Datensätze / Materialien

Relevante Publikationen

  • Faust, Michael (2000): Befreit und entwurzelt: Führungskräfte auf dem Weg zum "internen Unternehmer".
    München, Mering: Hampp