Informatisierung und Kultur

Beteiligte Mitarbeiter
Heidenreich, Martin
Schmidt, Gert
Institutioneller Anbindung
Universität Bielefeld, Fakultät für Soziologie
Gefördert durch
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
URL zur Studie
Kurzbeschreibung

'Im Zentrum der (...) Untersuchung stehen die Wechselwirkungen zwischen betrieblichen Informatisierungspolitiken und nationalen bzw. westeuropäischen Arbeits- und Managementkulturen' (S. 256). Die Restrukturierung von Arbeitsabläufen hin zu sog. Lean production erfordert eine neuartige Kontrolle des Arbeitsprozesses, welche sich durch die Autonomisierung und Selbstverantwortung der Arbeitnehmerschaft kennzeichnet. In diesem Rahmen werden neuartige Formen von Informationssystemen zur Kontrolle und Kommunikation einbezogen, welche neuartige Zugänge für die Belegschaft innehalten. Für die konkreten Forschungshypothesen siehe S. 256.

Ziel

Empirisch innovative Forschung (internationaler Vergleich mit mixed-team approach) in Verbindung mit Theoriearbeit zu Thema 'neue Technologien'.

Theoriebezug
Die theoretische Grundlegung erfolgt vor allem in Kapitel 2. Dort wird zunächst ausführlich der Stand der Forschung zum Thema 'Informationssysteme' aufbereitet und darauf in Anschluss an Luhmann und Rammert ein eigener Ansatz entwickelt. IuK-Systeme werden als 'Technisierungsmedien' gefasst, '(...) durch die die Einstellung organisatorischer Selbst- und Umweltbeschreibungen und die Setzung von Entscheidungsprämissen unterstützt wird' (S. 66). Vermutet wird, dass '(...) die Informatisierung betrieblicher Abläufe (d.h. die Technisierung organisatorischer Beschreibungen und Entscheidungsprogramme im Medium von Algorithmen und Datenstrukturen) mit einer Politisierung organisatorischer Regulationsstrukturen (d.h. einer Deregulierung organisatorischer Regulations- und Kontrollstrukturen), einem breiteren Rückgriff auf soziokulturell geprägte Persönlichkeitsstrukturen und einer Subjektivierung von Arbeit (im Sinne einer Deregulierung und Enttraditionalisierung von Arbeitskulturen) einhergeht' (S. 67).
Geografischer Bezug
Deutschland
Erhebungszeitraum
1989-1991
Informationen zur Datenerhebung
Die Erhebung bestand aus Mitarbeiterinterviews; Interviewleitfaden findet sich S. 286ff. Interviewt wurden insgesamt 145 Personen (vgl. Übersicht A1, S. 266). Dauer durchschnittlich 1,5 Stunden, auf Tonband aufgezeichnet und anschließend auf 5-10 pro Gespräch protokolliert (S. 267). Die Untersuchungen in den italienischen und französischen Unternehmen fanden in Zusammenarbeit mit dem IRES Turin, der Universität Bologna und der Universität Paris X statt, dabei nahm Heidenreich an den meisten Fallstudien teil (S. 268). Ziel war ein "Mixed-team-approach" (vgl. Schmidt 1991), der jedoch unter Zeitmangel und Sprachbarrieren litt (S. 268).
Fallzahlen
11 Untersuchungsbetriebe = 11 Fälle
Falldarstellung
Die Fälle werden immer wieder exemplarisch aufgegriffen und zur Belegung verschiedener Aussagen und Interpretationen herangezogen. Eine additive Einzelbesprechung aller Fälle wird nicht angestrebt, diese waren "Zwischenschritt auf dem Weg zum Endbericht" (S. 267).
Selbstdefinition
Der Autor bezeichnet sein Vorgehen als "Betriebsfallstudie" (S. 265)
Auswahl
Übersicht A1 (S. 266) stellt die Fälle gegliedert nach Herkunftsland und Branche dar. Sowohl in der Elektronik- wie auch in der Bekleidungsindustrie wurden je 2 Betriebe in Italien, Frankreich und Westdeutschland untersucht (Ausnahme: Elektronikindustrie; hier wurden in F nur ein Betrieb untersucht). Eine genaue Beschreibung der Unternehmen findet sich S. 268ff.
Überblick Methoden
Ein Kapitel zur Darlegung des Untersuchungsdesigns findet sich im Anhang, S. 265-288. Die Betriebsfallstudie wird als 'für die Industriesoziologie gängiges Instrument' vorgestellt, '(...) trotz der damit verbundenen Verallgemeinerungsprobleme' (S. 266). Dabei wird auf Lutz/Schmidt 1977 und Hauptmanns/Rogalski 1992 verwiesen. Das qualitativ orientierte Design wird (in Bezug auf z.B. Fleck 1992 und Hopf 1979) begründet: 'Unser Ziel war die Rekonstruktion der Handlungsarenen, in denen die betriebliche Gestaltung und Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien erfolgte. Trotz guter Erfahrungen anderer Forschungsgruppen mit quantitativen Methoden (Schumann u.a. 1994; Lehner/Schmidt 1992) waren und sind wir der Ansicht, daß die Aushandlungs- und Gestaltungsprozesse anläßlich der Einführung und Nutzung von Informationssystemen nur in relativ offenen Leitfadeninterviews rekonstruiert werden können' (S. 266). Im Weiteren werden der Untersuchungsgegenstand, das Sampling und die Erhebung beschrieben. Anschließend die Unternehmen vorgestellt, sowie die Interviewleitfäden.
Ergebnisse
Informations- und Kommunikationssysteme müssen als Medien zur Institutionalisierung betrieblicher Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster begriffen werden. Informatisierung führt zu neuen Formen der System- und Sozialintegration, die auf Vertrauen und gleichzeitig Kontrolle beruhen. Dabei gibt es unterschiedliche nationale Muster betrieblicher Informatisierungspolitiken, die durch länderspezifische Figurationen geprägt sind. "Festgehalten werden kann, daß betriebliche Informatisierungsprozesse mit einer Formalisierung und Mediatisierung von Standardoperationen, mit einer Deregulierung aufbau- und ablauforganisatorischer Regelungen, mit einem breiteren Zugriff auf das Leistungsvermögen der Beschäftigten und einem hohen Stellenwert soziokultureller Rahmenbedingungen einhergehen" (S. 255). Die Ergebnisse werden intensiv auf ihre Passung mit verschiedenen theoretischen Konzepten hin untersucht.

Datensätze / Materialien

Relevante Publikationen

  • Heidenreich, M.; Schmidt, G. (1991): International vergleichende Organisationsforschung..
    Opladen: Westdeutscher Verlag.
  • Heidenreich, Martin (1995): Informatisierung und Kultur.
    Opladen: Westdeutscher Verlag